„Geplante Novelle zum Ärztegesetz“

GEPLANTE NOVELLE DES § 2 ÄRZTEGESETZ

 

Die geplante Novellierung des ärztlichen Vorbehaltsbereiches im Sinne des § 2 Abs. 2 Ärztegesetz sorgte berechtigterweise für eine große Aufregung im Sektor Humanenergetik (ich erhielt nahezu täglich hiezu Anfragen), da durch die Novelle beabsichtigte, den Vorbehaltsbereich der Ärzte zu erweitern um den Bereich der „komplementär- und alternativmedizinischen Heilverfahren“. Da eine Legalldefinition für diese beiden Bereiche nicht vorlag, war zu befürchten, dass der Tätigkeitsbereich der Humanenergetiker drastisch eingeschränkt werden könnte bis hin zu einem Bereich, in welchem möglicherweise gar keine energetischen Tätigkeiten mehr ausgeübt werden dürfen, bedenkt man, dass auch die Gewerbeordnung für die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten ein gewisses Mindestmaß an rationeller Nachvollziehbarkeit erfordert.

Folgende Argumente sprechen aus rechtlicher Sicht gegen diese Novellierung:

  1. Patientensicherheit:

Der Gesetzgeber war bei der Erstellung des Ärztegesetzes primär von den Gedanken und der Intention getragen, in höchst möglicher Form die sogenannte Patientensicherheit zu gewährleisten. Um diesen Erfordernis Rechnung zu tragen, wurden nur solche ärztlichen Methoden zugelassen, die der evidenzbasierten Medizin zuzurechnen sind. Der Patient soll also darauf Anspruch haben, dass sich der Arzt bei der Untersuchung und Behandlung nur solche Methoden bedient, die er in seiner universitären Ausbildung erlernt hat und für welche ein medizinisch- wissenschaftlicher Nachweis erbracht werden kann. Wenn nun dieses Erfordernis fallen gelassen wird – wie in der vorgesehenen Novelle beabsichtigt war – könnten sich Ärzte aller alternativ medizinischen Heilmethoden bedienen, für welche allerdings kein wissenschaftlicher Nachweis vorliegt, womit auch das Erfordernis der Patientensicherheit erloschen wäre; dies kann niemals die Intention des Gesetzgebers sein!

  1. Schulmedizin:

Die gesamte Lehre (s. Mazal, Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung [Wien 1992] 246 ff; Aigner/ Kierein/ Kopetzki, ÄrzteG 1998 § 2 Rz 6, Heilegger, ärztlicher Vorbehaltsbereich und Alternativmedizin: Versuch einer Ab- und Eingrenzung, RdM 1999, 135) und bisher ergangene Judikatur (9 Bs 254/05d vom 01.03.2006, 4 Ob 217/04x vom 30.11.2004 u.a.) stellt klar und ist sich darüber einig, dass die im § 2 Abs. 2 ÄrzteG genannten Tätigkeiten nur dann unter den Ärztevorbehalt fallen, wenn sie auf medizinisch- und wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Eine auf medizinisch- und wissenschaftliche Tätigkeit liegt aber nur dann vor, wenn die angewandte Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist und für ihre Durchführung das typischerweise durch das Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erfordert. Die Schulmedizin, zumindest definiert als die Richtung, die wissenschaftlich begründet und in Fachkreisen anerkannt ist sowie an Hochschulen gelehrt wird, ist nach diesem Verständnis zwar nicht 100% ident mit dem Begriff der medizinisch- wissenschaftlichen Fundierung, aber doch weitgehend gleichläufig.

  1. Alternativmedizin:

Für Alternativmedizin ist bis heute eine allgemein verbindliche Definition nicht entwickelt worden, was daraus resultiert, dass eine Vielzahl unterschiedlichster Methoden mit unterschiedlichen Ansätzen dazu zählt. Die Alternativmedizin stellt jenen Bereich dar, der alternativ zur Schulmedizin besteht (siehe 9 Bs 254/05d).

  1. Berufsbild Humanenergetik WKO (Stand 01.09.2016):

Bei der Erstellung des Berufsbildes für Humanenergetiker wurde bewusst davon ausgegangen, eine klare Abgrenzung zur ärztlichen Tätigkeit zu erreichen. Da die ärztliche Tätigkeit durch das Kriterium der medizinisch- wissenschaftlichen Begründung definiert ist, wurde das Berufsbild der Humanenergetik in dem Bereich der nicht wissenschaftlichen Anerkennung angesiedelt (siehe II. lit. A 1.). Daraus folgend wurde die humanenergetische Tätigkeit dahingehend definiert, dass sie alle Tätigkeiten umfasst, die die energetische Ebene betreffen, wobei die energetische Ebene wiederum definiert ist, dass diese wissenschaftlich nicht anerkannt und naturwissenschaftlich nicht beweisbar ist. Dementsprechend erhebt die Humanenergetik auch keinen Anspruch auf wissenschaftliche Nachweisbarkeit.

Schlussfolgerung: Wenn entsprechend der ursprünglich geplanten Novellierung zum ärztlichen Vorbehaltsbereich vor dem Hintergrund der obigen Rechtsausführungen der ärztliche Tätigkeitsbereich um den Bereich der Alternativmedizin erweitert worden wäre, wäre das gesamte Berufsbild der Humanenergetik zum Einsturz gekommen, da die bisher erarbeiteten Abgrenzungsarbeiten nicht mehr greifen würden. Wenn sich nun der ärztliche Tätigkeitsbereich (und somit auch der Vorbehaltsbereich) auch auf die energetische Ebene beziehen würde, könnte logischerweise kein Tätigkeitsbereich mehr für die Berufsgruppe der Humanenergetiker verbleiben. Nicht erfasst wären Tätigkeiten, die nicht einmal der Gewerbeordnung zuzurechnen sind (mangels Mindestmaß an Rationalität), wie etwa Schamanismus, Geistheilung.

  1. Komplementärmedizin:

Zu befürchten war – das ist mir persönlich aus diversen Arbeitskreisen bekannt (z.B. Unesco, WHO) -, dass der Bereich der Komplementärmedizin in den ärztlichen Vorbehaltsbereich hinüberwandern könnte und zwar mit der Argumentationslinie, dass die Komplementärmedizin zwar nicht der Schulmedizin zuzurechnen ist (siehe zu Punkt 2.), aber für diesen Bereich medizinisch wissenschaftliche Nachweise vorliegen. Dem ist entschieden entgegenzuhalten, dass damit nicht das Erfordernis der Patientensicherheit erfüllt ist. Die Qualität einer Patientensicherheit ist nur dann erfüllt, wenn ein wissenschaftlicher Nachweis von Mainstream der Schulmedizin übernommen worden ist. Es existieren eine Unzahl von wissenschaftlichen Studien und Nachweisen von diversen Stellen, die nicht Eingang gefunden haben in die etablierten Schichten der Schulmedizin. Würde man das Erfordernis der Patientensicherheit weglassen und sich nur auf wissenschaftliche Studien beschränken, würde humanenergetische Methoden wie Bioresonanz, Biofeedback, Geräte-Energetik etc. Gefahr laufen, in den Vorbehaltsbereich der Ärzte zu wandern.

Schlussfolgerung: Es war Aufgabe der zuständigen Interessensvertretung, nämlich der WKÖ auf Bundesebene alle Hebel in Bewegung zu setzen und sofort mit den zuständigen Gesundheitssprechern der Regierungsparteien Kontakt aufzunehmen. Ebenfalls war unverzüglich eine Koordinierung mit den sonstigen von der geplanten Novelle betroffenen Berufsgruppen vorgenommen worden. Die Tätigkeit der Humanenergetiker in Österreich darf keinesfalls in ihrem Umfang eingeschränkt werden.

Wäre die geplante Novelle in der vorliegenden Form im Parlament beschlossen worden, hätte dies bedeutet, dass die Ausübung von alternativ- und komplementärmedizinischen Methoden in Österreich generell verboten wäre, ausgenommen Ärzte. Da allerdings in Österreich mehrere Berufsgruppen im Bereich der Alternativ- und Komplementärmedizin erwerbstätig sind, wie z.B. Humanenergetiker, Masseure, Osteopathen etc., wären diese in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht gewesen. Die vorgeschlagene Novelle widerspricht daher dem verfassungsmäßigen verankerten Grundrecht auf Erwerbsfreiheit. Dieses Grundrecht auf Erwerbsfreiheit darf nur unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt werden. Die Beschränkungen im Gesundheitssektor wurden bislang so gerechtfertigt, dass das Prinzip der Patientensicherheit überwiegt, deshalb der ärztliche Vorbehaltsbereich. Hierbei wurde immer das Argument angezogen, dass der medizinisch wissenschaftliche Nachweis der Methode bzw. auch die wissenschaftliche Ausbildung des ärztlichen Berufes diese geforderte Patientensicherheit hervorbringt.

Wenn dieses Erfordernis fallen gelassen worden wäre, würde dies der bisherigen Rechtsentwicklung widersprechen.

Andererseits sind die oben genannten Berufsgruppen, deren Zahl größer ist als die der niedergelassenen Ärzte, im Sinne dieser Rechtsentwicklung entstanden, größtenteils in der Gewerbeordnung verankert und entfalten legitim ihre Tätigkeit.

Wäre die geplante Novelle in dieser Form tatsächlich beschlossen worden, hätte für jeden Angehörigen der oben aufgezeigten Berufsgruppen die Möglichkeit bestanden, eine sogenannte Individualbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof einzubringen, da die veränderte Gesetzeslage unmittelbar die Rechte des Betroffenen verletzt hätte.

  1. Öffentliches Interesse:

Die derzeitige Gesetzeslage bietet ausreichenden Schutz im Sinne des öffentlichen Interesses. In Österreich, im Gegensatz zu anderen EU-Ländern, wurde diesbezüglich die Bestimmung des § 184 StGB (Kurpfuscherei) eingeführt, wonach die Ausübung jeder ärztlichen Tätigkeit durch andere Personen als Mediziner verboten ist. Dies stellt bereits einen ausreichenden Schutz dar.

Andererseits darf für die Menschen, die parallel zur Schulmedizin oder an Stelle dieser eine alternativ medizinische Behandlung durch Nichtärzte bevorzugen, der Zugang dorthin nicht verboten werden, auch darin würde eine Verletzung vom verfassungsmäßigen statuierten Grundrechten stattfinden.

 

Dr. Manfred Schiffner

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